Seit ihrem Besuch in Cardiff quĂ€lt sie ein Albtraum: Das Bett in dem schĂ€bigen Hotelzimmer. Darauf liegend, ein junges MĂ€dchen, festgehalten von vier erwachsenen Frauen. Die alte Frau, die sich zwischen den gespreizten Beinen des MĂ€dchens zu schaffen macht. Furchtbare Werkzeuge kommen zum Einsatz. Das viele Blut und die durchdringenden Schreie lassen Waris Dirie schlieĂlich schweiĂgebadet erwachen! Die UN-Sonderbotschafterin war nicht so blauĂ€ugig zu denken, GenitalverstĂŒmmelungen junger MĂ€dchen seien nur auf den afrikanischen Kontinent beschrĂ€nkt. In welchem MaĂe die unsĂ€gliche Praxis jedoch auch in Europa Einzug gehalten hat, war auch fĂŒr sie ein Schock. Das 10-jĂ€hrige MĂ€dchen in Cardiff wĂ€re verblutet, hĂ€tte nicht ein englischer Arzt sein Leben gerettet. Alle weiteren Nachfragen Diries waren an der ĂŒblichen Mauer des Schweigens abgeprallt. Geblieben ist ihr Albtraum -- aber auch der feste Vorsatz, unter der schwarzafrikanischen Bevölkerung in Europa ein neues Bewusstsein zu schaffen. FGM (das englische KĂŒrzel fĂŒr âFemale Genital Mutilationâ ersetzte die verharmlosende âBeschneidungâ), durfte in Europa nicht praktiziert werden. âIch bin jetzt keine WĂŒstenblume und keine Nomadentochter mehrâ -- Waris Diries drittes Leben hatte begonnen! ZurĂŒck in Wien, ihrer jetzigen Heimatstadt, beginnt eine ernĂŒchternde Bestandsaufnahme. Die somalische Autorin, im Alter von fĂŒnf Jahren selbst ein Beschneidungsopfer, muss feststellen, dass entgegen anderslautender Behauptungen, die GenitalverstĂŒmmelung weltweit stetig zunimmt. SchĂ€tzungen von UNO und WHO gehen inzwischen von unvorstellbaren 150 Millionen Opfern aus. Dann der Schock: Allein 500.000 betroffene MĂ€dchen und Frauen leben in Europa! Wer sind diese Frauen? Wie und wo leben sie unter uns? Wie ist die Gesetzeslage? Eine Menge Fragen warten auf Waris Dirie, deren Recherche sie quer durch Europa fĂŒhrt. Eine bedrĂŒckende Dokumentation entsteht. In Waris Diries somalischer Heimat gibt es eine verniedlichende Redensart: âLiebe tut dreimal wehâ, heiĂt es da, âbei der Beschneidung, bei der Vereinigung mit dem Mann und bei der Geburt der Kinderâ. Frauen wie Waris Dirie und ihren weltweit beachteten Publikationen obliegt es, solch menschenverachtenden Weisheiten auf immer den Garaus zu machen. --Ravi Unger Quelle:
|