Sportlerbiografien eröffnen gerne mit diesem nahezu unausrottbaren Klischee: Der kleine Junge inmitten der Volksmenge auf dem Dach einer Hütte. Die staunend aufgerissenen Augen. Die Parade der vorbeifahrenden Idole -- dann der magische Moment in Zeitlupe! -- und schon ist der Odem zukünftiger Genialität eingehaucht. Im Falle unseres Helden war es nicht viel anders. Als am 6. Juli 1954 die fußballbegeisterte Antonie Beckenbauer ihre Söhne Walter und Franz zur Ankunft der Weltmeisterelf aus Bern am Münchener Hauptbahnhof mitnimmt, steckt Deutschlands künftige Fußballlegende noch in kurzen Hosen: Doch schon bald sollte der 9-Jährige auf dem Dach als „Kaiser“ das unangefochtene Sportoberhaupt der Nation werden. Schwierige Anfänge im völlig zerbombten Stadtteil Giesing. Der nahegelegene Platz des SC München 1906 wird für Franz Beckenbauer zum eigentlichen Kinderzimmer. Schon früh zeigt der spindeldürre Spätentwickler, dass sein fußballerisches Pfund in der Technik liegt. Torsten Körner, der seine Infos direkt aus Kaisers Mund empfing, zeichnet ein überzeugendes Nachkriegsbild, in dem solche Bilderbuchkarrieren gedeihen konnten. Verschwiegen wird auch nicht das problematische Verhältnis zum cholerischen Vater, einem Fußballfeind, der die Berufswünsche des Sohnes förmlich verdammte. Vaterersatz wird in Trainern gesucht. Franz Neudecker schicktt das Naturtalent zur FC Bayern-Jugend. Mit 18 wird Beckenbauer zum ersten Mal Vater, drei Jahre später, bei der WM 1966, sollte auf Wembleys heiligem Rasen die Marke Beckenbauer entstehen! Der Rest ist (Fußball)geschichte. Spannend, die zahlreichen „Spielberichte“, die Torsten Körner als echten Afficionado ausweisen. Erhellend auch der Versuch eines Psychogramms des Mannes, der nach seinem Karriereende keine Lottobude eröffnen musste, sondern zur „Lichtgestalt“ des deutschen Sports mutierte. Immer wieder stößt man auf schützende und ihn formende Überväter. Neudecker, Herberger, Robert Schwan, der genialische Manager (dessen Tod im Jahr 2003 Beckenbauer kurzfristig aus der Bahn warf). Die erprobte Schutzschicht aus Verdrängung und positiver Grund-haltung wirkte erneut Wunder. Einige nachdenkliche Töne des Sohnes Thomas beschließen das Buch, der seinem Vater bei aller Jovialität und Dauercharmeoffensive die Fähigkeit zur Nähe abspricht. Wir hingegen sind dem Kaiser noch einmal ganz nah und gratulieren vorab zum Sechzigsten! –Ravi Unger Quelle:
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