"Was hast du für ein Problem? Ich glaube, ich weiß es. Du siehst es jeden Morgen im Spiegel.“ Boff, das sitzt. Für Menschen, die „nichts riskieren und ihr Leben abseits von Leben und Tod verbringen“, hat Mark Twight eben nur Verachtung übrig. Etwa für diejenigen, deren „mutigen Taten darin bestehen, morgens aus dem Bett zu steigen, sich mit ihrem Chef zu streiten oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt zu fahren.“ Wer sich bei solchen Formulierungen auf den Schlips getreten fühlt, der sollte das Buch schnell zur Seite legen. Denn in diesem Ton geht es schonungslos weiter. Twight, einer der besten Extrem-Alpinisten Amerikas, ist auf den gesamten 384 Seiten zutiefst provokant, arrogant und extrem. Zu Tourvorbereitungen genügt ihm etwa nicht normales Konditionstraining. Nein, er rennt Treppen rauf und runter, bis er sich übergeben muss und zerstörte sogar Beziehungen, nur um „sich an das Gefühl des Scheiterns zu gewöhnen.“ Solche Töne sind selbst erfahrene Bergliteratur-Leser nicht gewöhnt. Wer Twight kennt, schon. Denn das Enfant terrible der Bergsteigerszene ist schon immer viel mehr als andere getrieben von Wut, Leidenschaft, Kompromisslosigkeit und schonungsloser Ehrlichkeit. Und genau das vermittelt auch sein Buch, das vielleicht ehrlichste und radikalste Buch über die Sucht nach dem Berg. Der ist Twight zweifel- und gnadenlos verfallen. 24 Storys und Essays machen das überdeutlich. Sie alle handeln von Allein- und Erstbegehungen, vielmehr aber noch von Versuchen und Rückzügen in den Alpen, im Himalaya, im Pamir-Gebirge und in Alaska, und generell vom Leben und Sterben in den Bergen. Konkret handelt es sich um eine Zusammenstellung von zum Teil überarbeiteten und radikalisierten Zeitschriftenartikeln, die zwischen 1985 und 2000 veröffentlicht wurden. Spätestens beim Redigieren und „Radikalisiern“ seiner eigenen Texte wunderte es Twight oft selbst, dass er bislang alle Abenteuer überlebte. Angesichts der Zahl tödlich verun-lückter Kletterkameraden könnte der Buchtitel nämlich genauso gut „Steig und Stirb“ lauten. -- Christian Haas Quelle:
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