"Wer aber will sagen, was Schönheit ist?", dieser Ausspruch des Gestalters Peter Behrends umreißt ein Dilemma, dem sich auch die Autoren von 50 Klassiker - Design des 20. Jahrhunderts ausgesetzt sahen. Design ist nicht zwangsläufig Schönheit und Oberfläche ist nicht das gesamte Design. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Design erfordert einen umfassenderen Überblick, als ihn die Vorstellung 50 ausgewählter Produkte unserer Warenwelt ermöglichen könnte. Die Auswahl ist somit rein willkürlich und keinesfalls repräsentativ. Doch sieht man von diesem (generellen) Manko einmal ab, kann der Band aus der Gerstenberg-Reihe 50 Klassiker (vgl. etwa die Bände Gemälde, Film oder Architektur des 20. Jahrhunderts) durchaus überzeugen. Das Autorenteam Sievers/Schröder führt ein in die Welt der Gegenstände. Und da Design heutzutage etwas Allgegenwärtiges ist, dem man kaum entkommen kann, ist es alle Mal interessant, mehr darüber zu erfahren. Insbesondere Produktfetischsten, Kultkäuer und Ästheten kommen hier voll auf ihre Kosten. Kurzessays wie "Die Kraft der Noppen" zur magischen Anziehung des Legosteins beschreiben die Besonderheiten der ausgewählten Objekte. Auf jeweils vier bis acht Seiten erfährt der geneigte Leser alle Details und Anekdoten, eine reiche Bebilderung liefert den Kontext. Zum Schluss wird das Wichtigste noch einmal auf einer Seite zusammengefasst. Hier finden sich eine Biografie des Designers, eine Beschreibung des Gegenstandes und ein kurzer geschichtlicher Abriss. Das Buch ist reich an Informationen, wirkt dabei jedoch stets übersichtlich und gut strukturiert. Die Fülle an Informationen aus Geschichte und Gegenwart fügt sich zu einem Bild einer Dingwelt zusammen, die dem Betrachter plötzlich beseelt erscheinen will. Was zuvor vielleicht nur schnödes Gebrauchsobjekt war, erhält mit einem Mal ein Gesicht. Alltägliche Dinge lassen Zeitgeschichte lebendig werden und machen die eigene Zeitgenossenschaft begreifbar. Wohnungsklassiker wie Thonets Nr. 14, Ikeas Billy, Wagenfelds Jenaer Teeservice, Philippe Starcks Juicy Salif Zitronenpresse, der Sitzsack Sacco oder die Farbraumlandschaften Verner Pantons -- immer spiegeln sie auch eine Reaktion auf gesellschaftliche Vorgänge wieder. Den Autoren Christine Sievers und Nikolaus Schröder gebührt der Verdienst, diese Verbindungen transparent zu machen. Das Spektrum der dargestellten Klassiker ist beträchtlich: Zeit-Maschinen wie VW, Vespa oder Mini sind Dauerbrenner automobiler Fortbewegung und ähnlich wie Lucky Strike, Zippo oder Chanel No.5. allgegenwärtig. Wie Museumsgegenstände erscheinen dagegen Brauns Schneewittchensarg, Hondas CB 750 oder Rock-Ola Jukeboxen. Löblicherweise tauchen hier aber auch oft übersehene Produkte wie der Sony Walkman, das Moulton Fahrrad oder der Nilfisk-Sauger auf. Andere "Objekte" wie der Bikini erscheinen heute so allgegenwärtig, als hätte es sie schon immer gegeben. Doch nicht nur Beispiele aus dem Bereich des Produktdesigns, sondern auch grafische Meisterleistungen wie die Univers von Frutiger, das AEG-Logo, Aichers Piktogramme oder die Gestaltung des Magazins Twen durch Willy Fleckhaus finden ihren Platz in dieser Sammlung. Und auch (fast immaterielle) Klassiker wie Vidal Sassoons Classic Bob werden nicht vergessen. Ein (sehr kurzes) Glossar und eine Linksammlung zu Designmuseen runden das Buch ab und machen es zu einer empfehlenswerten Anschaffung nicht nur für Laien -- auch Vorgebildete erfahren noch interessante Details. Dass hierbei wenige kleine Fehler auftauchen, stört das gute Gesamtbild nicht wesentlich. --Jörn Eckermann Quelle:
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