Der Brite Iain Pears, geboren 1955, hat in Oxford studiert und danach einige Zeit als Korrespondent für Reuters in Rom und Paris gearbeitet. Heute lebt er wieder in Oxford als freier Journalist und hat sich gerade diese altehrwürdige Gelehrtenstadt als Schauplatz für seine Geschichte aus dem Jahre 1663 erwählt. Der Arzt Marco da Cola reist von Venedig nach England. Er ist sehr gespannt darauf, so bekannte Männer wie den Philosophen John Locke oder den Mediziner Richard Lower zu treffen und persönlich kennen zu lernen. Gleich nach seiner Ankunft wird da Cola zu einer alten Frau gerufen, die im Sterben liegt. Inständig bittet ihn ihre schöne Tochter um Beistand, denn ihre finanziellen Mittel sind für einen englischen Arzt zu knapp. Wenige Tage später ist da Cola unversehens am Ende einer Abendgesellschaft Zeuge eines Todesfalls. Ein Mitglied des ehrenwerten New College, Dr. Robert Grove wird tot aufgefunden. Handelt es sich um einen Giftmord? Die Wahrheitsfindung dauert nicht sehr lange und schon bald erfährt da Cola, daß dem Mädchen, deren Mutter seine Patientin ist, die Schuld an Dr. Groves Tod gegeben wird und sie dafür gehängt werden soll. Es keimen erhebliche Zweifel in ihm an der Richtigkeit des Urteils, doch er selbst wird letztlich das fehlende Teil beisteuern, das sie an den Galgen bringt. Diese Ereignisse sind der Ausgangspunkt für den Bericht dreier weiterer Männer, die anschließend ihre Sicht der Dinge darlegen. Und so unterschiedlich ihre Ausbildung und ihre berufliche Position ist, so verschieden ist ihre Wahrnehmung der Ereignisse. Jack Prescott, ein junger Hitzkopf, gerade aus dem Gefängnis geflüchtet und daran interessiert die Unschuld seines Vaters zu beweisen, der die Sache der Royalisten an Oliver Cromwell verraten haben soll, meint, daß da Cola ein Lügner sei und kein Wort seiner Darstellung richtig wäre. Auch John Wallis, ein Meister der Geheimschriften, glaubt in verschlüsselten Dokumenten der Wahrheit auf der Spur zu sein.Erst Anthony Wood, der Bücherfreund und Antiquar wird Klarheit in die verworrenen Fäden bringen. Iain Pears hat mit seinem Roman das Leben des 17. Jahrhunderts in all seinen unterschiedlichen Schattierungen eingefangen. Unterhaltsam beschreibt er die ersten unbeholfenen Schritte in den Naturwissenschaften, den Kampf der Religionen und die verbissene Suche nach der Wahrheit in allen Wissenschafts -Disziplinen. Unaufdringlich läßt er den Leser an seinen profunden historischen Kenntnissen teilnehmen und beschreibt, wie sich die kleinen Intrigen, Eifersüchteleien und Schiebereien oft bis in die Weltpolitik auswirken. Detailliert erfährt man im Anhang, daß das Personal seiner Geschichte zum großen Teil historische Persönlichkeiten sind. Wenn bei diesem Unternehmen manchmal die erzählerische Qualität auf der Strecke bleibt und die Exkurse etwas lang geraten, so macht das breite Wissen des Autors diesen Mangel wieder wett. Das Urteil am Kreuzweg, das zur Zeit in weltweit fünfzehn Sprachen übertragen wird, verbindet spannende Unterhaltung mit genauer historischer Sachkenntnis auf faszinierende Weise, denn der Mittelpunkt des Romans ist das Weltbild des 17. Jahrhunderts. --Manuela Haselberger Quelle:
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