Nur wenige Flugstunden von Mitteleuropa entfernt, spielt sich seit mehr als einem Jahrzehnt das Drama eines nordafrikanischen Landes ab -- Algerien. Dort tobt ein "unsichtbarer BĂŒrgerkrieg", inzwischen kaum beachtet von unseren Nachrichtenorganen, mit unklaren und fĂŒr uns kaum erkennbaren Fronten ĂŒber den Konflikt zwischen Regierung, MilitĂ€r und islamischen Fundamentalisten hinaus. Ein Autor hat diesem Konflikt unter dem Pseudonym Yasmina Khadra in literarischer Form zu neuer Aufmerksamkeit verholfen. Khadra hat sich mittlerweile als hochrangiger Offizier der algerischen Armee mit dem tatsĂ€chlichen Namen Mohammed Moulessehoul zu erkennen gegeben und ist ins Exil nach Paris gegangen, weil er sich dort sicherer fĂŒhlen kann. Er wird aber den tapferen Frauen seines Heimatlandes zu Ehren weiterhin unter dem weiblichen Pseudonym veröffentlichen. Mit Herbst der ChimĂ€ren ist die inhaltlich zusammenhĂ€ngende Trilogie um den Schriftsteller und Commissaire Brahim Llob in Deutschland nun komplett. Im Gegensatz zu den ersten BĂ€nden Morituri und DoppelweiĂ, die Llob als ermittelnden Kommissar in verworrenen MordfĂ€llen schilderten, wird der Polizist im vorliegenden Buch seiner schriftstellerischen und aufklĂ€rerischen TĂ€tigkeit wegen vom Dienst suspendiert. Drohungen und AnschlĂ€ge auf sein Leben lassen nicht lange auf sich warten und dem Charakter dieses undurchsichtigen und grausamen Krieges entsprechend ist keineswegs klar, wem diese Gewaltakte zuzuschreiben sind. Brahim Llob jedenfalls wird einen hohen Preis fĂŒr seine Aufrichtigkeit und den jahrelangen Kampf um Gerechtigkeit bezahlen. Auch Herbst der ChimĂ€ren ist ein ungewöhnlich fesselnder Politkrimi mit einer ungemein starken Hauptfigur. Stark aber keinesfalls im Sinne von ĂŒberlegen, clever und stets obenauf. Stark vielmehr in ihrer Gebrochenheit, ihren Freuden und Ăngsten und ihrer zunehmenden Hilflosigkeit. Brahim Llob reprĂ€sentiert das Schicksal vieler algerischer Intellektueller, indem er selbst wie die meisten von ihnen zur Zielscheibe wird. Yasmina Khadra teilt nunmehr das Schicksal seines Alter Ego. Seine brillante literarische Dokumentation des algerischen Dramas zeigt beispielhaft das Befinden einer Welt, die seit dem 11. September 2001 einen neuen Albtraum gigantischen AusmaĂes erlebt, aus dem sie wohl fĂŒr eine lange Zeit nicht wird erwachen können. --Ulrich Deurer Quelle:
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