Ohne zu übertreiben kann man Mo Hayders ersten Kriminalroman für das deutsche Publikum als eine der aufregendsten und interessantesten Neuerscheinungen des ersten Halbjahres bezeichnen. Figuren und Plot fesseln auf ungewöhnliche Weise und die Schilderung grauenvoller Verbrechen selbst in ihrer ungeschminktesten Form präsentiert sich nie als Selbstzweck und wirkt nie reißerisch, sondern scheint vielmehr einem hintergründigeren Ziel zu dienen. Worum geht es also? Um einen Frauenmörder, der seinen grausam zugerichteten Opfern kleine Vögel in die Brust implantiert, um auch nach deren Tod sich für kurze Zeit an der Illusion eines schlagenden Herzens zu weiden. Serienkiller also, wird mancher Leser sagen und gelangweilt abwinken. Aber Mo Hayder arbeitet ein scheinbar bereits zerschriebenes Thema aus, als sei erst wenig dazu gesagt worden. Das mag zum großen Teil an den Hauptfiguren des Romans liegen. Inspektor Jack Caffery, der die Ermittlungen übernimmt, ist auch nach langen Jahren noch immer durch den mysteriösen Tod seines kleinen Bruders psychisch stark belastet. Seine Beziehung zerbricht, während er sich um die Aufklärung der Mordfälle bemüht. Seine Kollegen sind mehr als nur Staffage: Sie sind fein ausgearbeitete Charaktere, die man im Laufe der Geschichte kennen zu lernen glaubt. Der Täter wird mit all seinen Defekten beschrieben, nicht verurteilt -- man glaubt ihn zu kennen. Das Schicksal der Freundinnen Becky und Joni, die den Täter kennen, ohne es zu wissen und in höchster Gefahr schweben, zieht in seinen Bann. Wir sehen keine Helden, sondern Menschen mit Defekten physischer und psychischer Art, die alle auf ihre Art den Kampf um ihr Leben aufgenommen haben. Ein Kunstgriff Hitchcock'scher Prägung verleiht dem Plot einen weiteren Reiz. Lange wähnt sich der Leser mit den Ermittlern auf der sicheren Seite, bis allen Beteiligten mit Entsetzen bewusst wird, dass man auf das falsche Pferd gesetzt hat. Ein unglaublicher Showdown bietet den spektakulären Höhepunkt eines Buches, das mit einer subtilen Stimmung permanenten Unbehagens an den Nerven zerrt. Große englische Kriminalliteratur! Gelesen wird die behutsam gekürzte Hörversion von Tatort-Kommissar Dietmar Bär. Die Spieldauer liegt bei 280 Minuten, der Umfang beträgt drei Kassetten. --Ulrich Deurer Quelle:
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