Wenn es denn so etwas wie ein Pflichtprogramm für Rom-Reisende gibt, dann gehört die Sixtinische Kapelle mit dem mehr als nur beeindruckenden Deckenfresko Michelangelos zweifellos zu dessen unverzichtbaren Stationen. Und wenn irgendein Buch für die Vor- oder Nachbereitung der Pilgerreise in das Innerste des Vatikans Pflichtlektüre sein sollte, dann ist es Ross Kings Michelangelo und die Fresken des Papstes. Selten nur findet man ein (kunst-)historisches Sachbuch, das zu lesen einen solchen Spaß macht -- und aus dem man überdies über so viele Fassetten einer Zeit so vieles lernen kann. So erfahren wir nicht nur, dass Michelangelo das Deckengemälde, das uns die christliche Geschichte von der Erschaffung der Welt, von Adams und Evas Sündenfall und ihrer Vertreibung aus dem Paradies, von der Sintflut und der Trunkenheit Noahs erzählt, nicht, wie häufig kolportiert wird, im Liegen gefertigt hat, sondern stehend auf einem in die Decke eingelassenen Holzgerüst, und dass er bei seiner Arbeit -- auch dies entgegen vielfach anders lautender Überlieferung -- über ein kleines Heer von Helfern verfügte. Wir erfahren vor allen Dingen auch, dass der sich als Bildhauer und nicht als Maler verstehende Michelangelo das Fresko eigentlich überhaupt nicht und unter gar keinen Umständen hatte malen wollen. Zu der Arbeit an dem Jahrtausendkunstwerk fand er sich nur unter massivem Druck und handfesten Drohungen bereit, sowie wegen der Aussicht, nach dessen Fertigstellung den zuvor zurückgezogenen Auftrag für das Figurenensemble zu erhalten, das später einmal die päpstliche Grabstätte schmücken sollte. Sehr ausführlich hat sich der Autor bei seinen Recherchen mit den diffizilen technischen Problemen der Freskomalerei beschäftigt, die er ebenso ausführlich vor uns ausbreitet, wie das ganze geschichtliche Drumherum um den Auftraggeber, Papst Julius II. -- einem Mann, der, wie schon der ihm verpasste Beiname "der Schreckliche" verrät, alles andere als ein Heiliger war, dessen militärische und politische Feld- und Winkelzüge aber ebenso von einer enormen Instinktsicherheit zeugen, wie sein Kunstgeschmack. --Andreas Vierecke Quelle:
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