"Nahezu alle Programmheft-Texte zu eigenen Kompositionen habe ich widerwillig verfasst", klagt Wolfgang Rihm in seiner "Notiz über den Eigenwert von Programmheft-Einführungen". Auf der einen Seite die Unfähigkeit, Nein sagen zu können, wenn Freunde um einen Text baten, spiegelt dies aber auch die tiefe Überzeugung des Komponisten wider, dass Einführung in Kunst für sich "etwas Raubendes, Energieableitendes ist, was niemals vom Künstler selbst geleistet werden sollte". Mag ihm die Eigeninterpretation auch widerstreben, seine Werkstattberichte und tiefgründigen essayistischen Denkbewegungen um und durch Musik (so der Untertitel), haben durchaus nichts "Raubendes", zeigen sie doch Wolfgang Rihm als pointierten (bisweilen witzigen) musikalischen Schriftsteller, eine bislang an ihm kaum entdeckte Fassette. Der 1952 in Karlsruhe geborene und an der dortigen Musikhochschule als Professor lehrende Komponist, einer der bedeutendsten Neutöner unserer Tage, liefert in seinen gesammelten Aufsätzen und Vorträgen ebenso Denkwürdiges wie esoterisch Eigenwilliges: Seine philosophisch-launige Version der "Wanderer-Phantasie" kümmert sich weniger um Schuberts Tastenarbeit, umso mehr dafür um das Wandern als Eskapismus. Es folgen Meditationen über das leidige Thema "Junger-Komponist-Sein", über die Schwierigkeit, Nietzsche zu vertonen, die allseits so beliebten "Schönen Stellen" -- schließlich grummelt Rihm gefährlich über den Wert der Improvisation, von der er glaubt, dass sie als Kunstäußerung lediglich zu Stereotypen führte. Immer wieder und voll Liebe wendet sich Rihm dagegen seinem geistigen Vater zu, Edgar Varèse, dessen Stück "Arcana" ("...das hatte ich gesucht"), ihm anfangs der 70er-Jahre Erleuchtung und Pforte zum eigenen Werk darstellte. Was er gefunden hat, ist dokumentiert in seinem umfangreichen Werk. Rihms Leitfaden -- nicht immer die ganz leichte Kost -- macht Lust auf eine Musikwelt, der es leider immer noch an der gewünschten Breitenwirkung fehlt. --Ravi Unger Quelle:
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