Die Gedichte Heinrich Heines sind schwierig. Sie sind es gerade deshalb, weil der oft volksliednahe, teils balladeske Ton höchste Einfachheit suggeriert. Dahinter aber lauern Abgründe, die das Gesagte immer wieder ironisch in Frage stellen und intellektuell durchdringen. So kann man Heines Gedichte zweifach lesen: als romantisch-melancholische Lyrik und Satire oder aber als geistdurchwirkte, ebenso scharfe wie raffiniert verschlüsselte Wörterkunst. Rechtzeitig zum Heine-Jahr 2006 hat der Frankfurter Insel Verlag Heines Sämtliche Gedichte in einem Band herausgebracht, zu einem unschlagbaren Preis zumal, der dem Leser die Entscheidung leicht machen sollte, ihn zu erstehen. Herausgeber und Heine-Experte Klaus Briegleb, der auch für die Sämtlichen Schriften verantwortlich zeichnet, setzt in seiner über 700 Seiten starken, einmaligen Edition auf eine ungewöhnliche, aber einleuchtende, da chronologische Folge der jeweiligen Fassung aus letzter Hand, so dass man von 1812 bis 1851 erleben kann, wie Heine die später wieder aufgelöste Zyklenstruktur in seiner Lyrik konzipiert hat -- und das eröffnet selbst eingefleischten Heine-Fans garantiert die ein oder andere neue Facette. Mit beigegeben ist dem Band ein überaus kenntnisreiches, leider viel zu kurzes Nachwort, das die Lektüre ebenfalls unbedingt lohnt. "ich glaube überhaupt, bei späterer Herausgabe, kein einziges dieser Gedichte verwerfen zu müssen", schrieb Heine einmal, "und ich werde sie mit gutem Gewissen drucken, so wie ich auch den Satyrikon des Petron und die römischen Elegien des Goethe drucken würde, wenn ich diese Meisterwerke geschrieben hätte.". Wie Recht Heine mit dieser nicht gerade unbescheidenen Selbsteinschätzung hatte, zeigt nicht zuletzt diese Ausgabe aller seiner Gedichte. --Stefan Kellerer Quelle:
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