Leonard Gründ kann keiner Fliege etwas zu Leide tun. Vom weisen Großvater an Hand der Köpfung eines Truthahns mit der Realität konfrontiert ("So ist das Leben, mein Kleiner, so ist das Leben"), kann sich der Museumswärter, Detektivassistent und Büroangestellte doch nicht wirklich abfinden mit den menschlichen Grausamkeiten. Fatal wirkt sich da auf sein Seelenleben natürlich der Umstand aus, dass ausgerechnet Gründ einen Mordauftrag erhält. Nicht einmal sein potenzielles Opfer kann ihm erklären, warum es eigentlich sterben soll. Und dann kommt Leonard Gründ bei der Planung des perfekten Verbrechens auch noch der eigene Perfektionismus in die Quere. Kein Wunder also, dass der Mörder wider Willen melancholisch wird. Als Erzähler hatte Emmanuel bisher einen großen Nachteil: Er ist von Berufs wegen Psychoanalytiker. Beim schmalen Bändchen Der Wert des Menschen, das sich nicht immer zwischen Krimi und Traktat entscheiden konnte, war das an manchen Stellen ein Problem. Eine der poststrukturalistisch-simplen Botschaften war denn auch, dass der Mensch im kafkaesken Getriebe des Kapitalismus keine eigene Stimme habe, sondern sich der Jargons seiner Arbeit, der Werbung und Gesellschaft bedienen müsse. "Ich werde gesprochen" sagt man wohl, wenn man nun seinerseits vom Jargon der Lacan'schen Psychoanalyse gesprochen wird. "Wenn man einen der Männer fragt, was er da macht", hieß das in Der Wert des Menschen, dann "wird er ihnen in dieser toten, neutralen und technischen Sprache antworten, die aus ihm einen Lastwagenfahrer, Beifahrer, Unterscharführer, Wissenschaftler, Obersturmbannführer gemacht hat". Ein wenig -- allerdings selten -- schimmert dieser Grundsatz noch bei Ein melancholischer Mörder durch. Aber auch in der Literatur sind die Figuren aus Sätzen gemacht, Sätze, die nicht der Diskurs, sondern ein Autor geschrieben hat, und je origineller er das tut, desto mehr sehen die Figuren im Roman wie echte Menschen aus. In Ein melancholischer Mörder hat Emmanuel diesen Grundsatz beherzigt -- und sich so vom Psychoanalytiker zum wahren Schriftsteller gemausert. Ist sein Krimi doch über weite Strecken ein spannendes, brillant geschriebenes, glaubwürdig erzähltes Buch mit eigenem, komischem Ton geworden. Sehr empfehlenswert. --Thomas Köster Quelle:
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