Wir schreiben das Jahr 1934. Maurice Wilson, Ex-Hauptmann der britischen Armee, fliegt in einem kleinen Jagdflugzeug nach Kalkutta. Er beabsichtigt, an den Flanken des Mount Everest eine Bruchlandung zu machen, den Gipfel dann zu Fuß zu erreichen und dort den Union Jack aufzupflanzen -- und das, obwohl er weder einen Pilotenschein noch jegliche Bergerfahrung hat! Die Ideen, Geschichten und verrückten Aktionen des Maurice Wilson sind grotesk. Deshalb ist es ein Wunder, dass sie bislang so stiefmütterlich in den einschlägigen Everest-Publikationen behandelt werden. Auf eindrucksvolle, wenn auch extreme Weise belegen sie den Größenwahn, den der höchste Berg der Welt bei Abenteurern immer wieder auslöst. Und gerade weil dieser Wahn topaktuell ist, vergisst man beim Lesen gelegentlich, dass Wilsons "vergessene Besteigung" Jahrzehnte her ist. Dass die Lektüre so lesenswert ist, liegt auch an der geschickten Aufbereitung des Autors: In einer Mischung aus Reportage und Roman verknüpft Peter Meier-Hüsing die unterschiedlichen politischen Ambitionen der Himalaja-Staaten mit den Interessen britischer Alpinisten, die religiösen Vorstellungen und fremden Mythen buddhistischer Nationen mit der visionären, fantastischen und religiös-fanatischen Vorstellung eines Einzelkämpfers. Ja in Beschreibungen vom kargen Leben der Bergvölker, von der magischen Weite des unbezwingbaren Bergmassivs und der Einsamkeit klösterlichen, buddhistischen Lebens wird ein Mythos lebendig. Insgesamt lässt sich sagen: Wo die Schneelöwen tanzen ist ein ungemein spannendes Buch über ein ebenso spannendes Stück Everest-Geschichte, das zu Unrecht vergessen worden ist. Übrigens: Wilsons Aktion empfand selbst Reinhold Messner als "das bizarrste Kapitel in der Geschichte des Everest". --Leon Heissik Quelle:
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