Widerspruch wird man kaum ernten, wenn man behauptet, Gidon Kremer gehöre in seinem Fach -- dem Geigenspiel -- zu den Besten der Besten. Und vielleicht darf man sich sogar zu der Aussage versteigen, es gebe Musik, deren "Wahrheit" nur er zum Klingen bringt, weil er ihr etwas beigibt, das zwar wesentlich zu dieser Musik gehört, doch in seinem Genius zu Hause ist. Nun muss wirklich nicht unbedingt jeder, der eine Kunst beherrscht, auch Bücher schreiben, die wir am Ende auch noch lesen sollen. Mancher im Schreiben nicht gar so Talentierte nutzt trotzdem seine Bekanntheit, um sich mit dem einen oder anderen Erinnerungsbuch ein paar Euro hinzuzuverdienen. Andere, die es auf ihrem Feld zu einer gewissen Meisterschaft gebracht haben, sind wiederum davon überzeugt, dass das Eigentliche, das Große, das Göttliche (und von was anderem sollte man schreiben?) sich ohnehin nur mit den Mitteln ihrer jeweiligen Kunst ausdrücken ließe. Auf Gidon Kremer trifft glücklicherweise all dieses nicht zu! Weder ist er sich zum Schreiben zu schade, noch bereut man als Leser je die Zeit, die man der Lektüre seiner Erinnerungen gewidmet hat. Im Gegenteil! Nach Kindheitssplitter und Obertöne ist Zwischen Welten nun schon Kremers drittes Buch, das wir mit Gewinn gelesen haben. Der 1947 in Riga geborene Virtuose berichtet darin ausgesprochen lesenswert über sein Verhältnis zu seiner (ehedem sowjetischen) lettischen Heimat, von der Auseinandersetzung mit der Kunst und den Begegnungen mit Künstlern, die als Wegmarken auf seinem Wege standen. Und natürlich erfahren wir neben zum Teil sehr Persönlichem auch etwas darüber, wie es sich anfühlt, wenn man nach ersten Aufsehen erregenden Erfolgen auf Wettbewerbs- und Konzertbühnen beginnt zu begreifen, dass man am Beginn einer fulminanten Karriere stehen könnte. --Andreas Vierecke Quelle:
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