Die Mutter, zwei Schwestern, spĂ€ter Katharina Hartmann, die gestrenge Klavierlehrerin, der er noch 1997 an ihrem Sterbebett im Altersheim dankte -- starke Frauen waren es, die dem trĂ€umerischen und scheuen Jungen den Weg ins Leben wiesen. Einzig schwarzer Fleck des weit gehend ungetrĂŒbten Kindheitsidylls im schlesischen Brieg war der Vater, ein Alkoholiker, der eine familiĂ€re Randfigur blieb. Zusammen mit einer SehnenverkrĂŒmmung der Hand, die eine Pianistenkarriere verhinderte, hat Kurt Masur die Weichheit und LabilitĂ€t des Vaters als latente Bedrohung des eigenen Lebens geerbt. Der Lebensweg des 1927 geborenen Dirigenten ist eng verknĂŒpft mit der Geschichte des Leipziger Gewandhauses. Der Traditionstempel, man spĂŒrt es, ist dem Musikwissenschaftler Johannes Forner Herzenssache. Buchhalterisch akkurat verzeichnet der ehemalige Leipziger Chefdramaturg und Vertraute Masurs Historisches, SpielplĂ€ne und Orchester-Interna -- zuweilen auf Kosten etwas detailreicherer Innenansichten seines Protagonisten. Masur, der sich aufgrund seines abgebrochenen Studiums an der Musikhochschule kokett als Amateur bezeichnet, hatte schon in jungen Jahren die Pultgötter FurtwĂ€ngler und Bruno Walter zu Vorbildern erkoren. Sein Karrierestart glich einem Schnelldurchlauf: KapellmeistertĂ€tigkeiten in Halle, Erfurt und Leipzig; schlieĂlich, knapp dreiĂigjĂ€hrig, wurde der Dirigent, der sich gern als Freund des Orchesters ("aber als ein unerbittlicher") sah, auch Publikumsliebling an der Dresdner Philharmonie. Die Arbeit mit dem Gewandhausorchester aber, das er von 1970 an beharrlich auf Weltniveau hievte, markierte den ersten Höhepunkt seines Lebens. Selten ermöglichte Einblicke ins DDR-Kulturschaffen- und -mauscheln, machen Forners penibel recherchierte Biografie zum kulturpolitisch spannenden Bericht, in dem auch der tragische Unfalltod der zweiten Ehefrau Masurs sowie dessen Straffreiheit nicht ausgespart bleibt, die kurzfristige GerĂŒchte um Stasideckung aufkommen lieĂ. Zum Heroen beider deutscher Staaten geriet Kurt Masur schlieĂlich durch seine Appelle an die Besonnenheit und seine gewaltverhindernden AktivitĂ€ten im Rahmen der Montagsdemonstrationen, die ihm 1990 beinahe das Amt eines DDR-StaatsprĂ€sidenten eingetragen hĂ€tten. Kurzes Nachdenken, dann doch lieber Beethovens Neunte! --Ravi Unger Quelle:
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