Dieser Bildband ist wunderbar. Nur allzu gern folgt man Palani Mohans Spurensuche in das gerade für Europäer so faszinierende Land zwischen Ganges und Kap Comorin. Treffender wäre es freilich gewesen, wenn der Titel nicht Indien, sondern Inder lautete. Schließlich spielen in diesem Werk die Bewohner des südasiatischen Subkontinents eindeutig die Hauptrolle. Das Taj Mahal, die hohen Bergpässe von Ladakh oder die Flusswelten im Narmada-Tal sind bestenfalls Kulisse für die unterschiedlichsten Akteure: die Salz- und Stahlarbeiter, die letzten Elefantentreiber, Mönche in bunten Kleidern, reich beschmückte Teilnehmer von Festen und die Frauen von Osla, die mit ihrer "Vielmännerei" das seltene Gegenstück zur Polygamie leben. Durch diese Typen-Einteilung entstehen insgesamt neun fabelhafte Bildstrecken. Die beigefügten Textpassagen des selbst in Indien geborenen Fotografen fallen hingegen sehr kurz aus. Was nicht weiter stört, denn ein Blick in die Augen eines weißen Sikhs oder die lachenden Gesichter der am Strand spielenden Kinder erzählen selbst Bände. Auch beim Maha Kumbh Mela, der mit 80 Millionen Teilnehmern weltweit größten Menschenansammlung aller Zeiten, zeigt sich Mohans enorme Fähigkeit, durch gelungene, stets authentisch wirkende Aufnahmen gefühlvolle und ergreifende Geschichten aufs Papier zu bannen. Sicher, wenn man den 70-jährigen Baba erblickt, wie er arm- und unterleibslos auf einem Tisch posiert, brennt es einem schon unter den Nägeln, mehr über die abgelichteten Persönlichkeiten zu erfahren. Aber für weitere Infos müssen eben andere Bücher herangezogen werden. Dafür werden Foto-Profis vielleicht diesen Bildband heranziehen, quasi zu Studienzwecken. Denn obwohl Indien gerade durch seine unglaubliche Farbenfülle besticht, bringt Mohan immer wieder interessante Schwarz-Weiß-Fotografien unter. Der Effekt: Die Farben werden kurzfristig ausgeblendet und lenken die Konzentration des Betrachters ausschließlich auf das Leben an sich: auf den Gesichtsausdruck der fotografierten Menschen, auf Körperhaltungen und den Einfluss der Umgebung. Dabei ist die Qualität der Fotografien mitunter derart außergewöhnlich, dass es nicht verwundert, dass das Buch mit verschiedenen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. --Christian Haas Quelle:
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