Wer in Edward Hopper blättert, trifft überall auf alte Bekannte. Da ist das Paar auf der Veranda, dass sich an einem lauen Sommerabend im Schein der Lampe offenbar nichts mehr zu sagen hat. Da ist die Frau im Café, die in ihrem Alleinsein am liebsten in ihrer Kaffeetasse versinken würde. Da sind die Menschen im Hotelflur, die sich nicht beachten. Und da sind natürlich auch die „Nighthawks“ von 1942: die traurigen Nachtschwärmer, die in einer New Yorker Bar aneinander vorbei ins Leere starren. Sie alle kennt man von zahllosen Plakaten und Reproduktionen. Und trotzdem ist jede Begegnung doch auch wieder neu. Edward Hopper war der Meister melancholischer Momente, der Fachmann für gemalte Einsamkeit, die im künstlichen Elektro- oder gleißenden Sonnenlicht wie auf einer kahlen Theaterbühne urplötzlich aufblitzt. Wie umwerfend traurig ihm das auf zahllosen Gemälden immer wieder gelang, kann man nun in dem aufwändig gedruckten Band zur Ausstellung im Museum Ludwig in einer beeindruckenden Werkreihe nachvollziehen. Gleichzeitig gilt es viel neues zu erfahren, zum Beispiel über das impressionistisch wirkende Frühwerk der Pariser Zeit, in der Hopper sein Auge für das Sonnenlicht schulte und zu einer Auffassung von Farbe als emotionalem Träger fand. In klugen Beiträgen wird beleuchtet, wie stark der Einfluss des Film Noir auf das Œuvre des Malers war und wie stark er selbst auf die Ästhetik etwa von Filmemachern wie Alfred Hitchcock, Francis Ford Coppola und Wim Wenders oder auf Künstler wie Luc Tuymans wirkte. Vor allem dies macht Edward Hopper zu einem Erlebnis, dass den Leser nicht nur alte Bekannte wieder-, sondern auch neue Aspekte entdecken lässt. -- Stefan Kellerer Quelle:
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