Als Neoplatoniker gab sich Michelangelo beizeiten gern bescheiden. Eigentlich sei die Idee zu seinen grandiosen Skulpturen doch schon im Marmor verborgen gewesen, gab er in solchen Fällen an; er habe nichts anderes getan, als sie herauszuhauen. Tatsächlich aber wusste der Künstler, den der energische Papst Julius II. an seinem Hof in Rom zu manchen Höchstleistungen anspornte, um seinen Marktwert sehr genau. "Io Michelangelo Buonarroti2 unterschrieb er selbstbewusst seine Briefe, ganz im Stil des Renaissance-Künstlers und seines neuen Selbstverständnisses. Ich Michelangelo stellt Zitate aus eben jenen Briefen, aus Notizen und den Sonetten des Ausnahme-Künstlers dessen Werken gegenüber -- so erscheinen die "Pietà", die teils noch im Fels gefangenen "Sklaven", die Skulpturen der Medici-Gräber, die Zeichnungen oder die detailliert abgebildeten Malereien der Sixtinischen Kapelle in einem neuen Licht. "Ich habe nur mit einer Frau viel zu schaffen gehabt", schrieb Michelangelo einstmals nieder: "das ist die Kunst, die mich stets gequält hat, und meine Kinder sind die Werke, die von mir zurückbleiben." Wie Michelangelo in Malerei und Skulptur diese Qual in Leichtigkeit verwandelt hat, kann man auf den wundervoll fotografierten Aufnahmen von Ich, Michelangelo, die im Spiel von Hell und Dunkel die dramatische Virtuosität in der Behandlung des Marmors illustrieren, Michelangelos architektonische Leistung beleuchten oder die gestalterische Größe des "Jüngsten Gerichts" dokumentieren, eindringlich studieren. --Stefan Kellerer Quelle:
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