Irgendwie scheint sich da heute ein Kreis zu schließen. Computus, in der Antike Begriff für die beginnende Zeitrechnung und heute in bits per second das Maß aller modernen Dinge. Längst ist Zeit in Zeiten flugzeugschneller Eisenbahnen, 35-Stunden-Woche und sekundenschnellem Aktienhandel zu etwas geworden, was wir nur noch in Zahlen, aber kaum noch mit Gefühlen wahrnehmen. Apropos, auch das Konto hat hier seinen Ursprung: Zeit ist Geld, eine alte Geschichte? Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen auch das Verhältnis der Menschen zu ihr. Einerseits war sie immer eine technische Herausforderung. Die Messung der Zeit, oder besser des Vergehens von Zeit, hat zu einer Vielzahl von Erfindungen geführt, bis im 14. Jahrhundert endlich die erste mechanische Uhr das Ticken begann. Vorher galt es, die Zeit in größerem Maßstab in den Griff zu bekommen. Kalender teilten Sommer und Winter, Tag und Nacht in zeitliche Portionen: die Zeit als Naturphänomen. Andererseits waren für die Wahrnehmung der Zeit auch die Geisteswissenschaften erforderlich, denn sie bewahrten die Erinnerung. Arno Borst, der sich als Forscher jahrzehntelang mit Mittlerer und Neuerer Geschichte beschäftigt hat, gibt in dieser tief gehenden Studie einen kulturhistorischen Überblick von Zeit und Zahl und damit der Suche nach dem Rhythmus Gottes: "Wer heilige Gedenktage bedeutsam vergegenwärtigen wollte, musste auch Menschenschicksale exakt nach Gottes Jahreslauf datieren", zitiert der Autor John Hennig. Mit unzähligen Quellen angereichert, findet sich in diesem Buch auch ein akademisches Lebenswerk. Es liest sich zwar wie ein spannender Roman, dennoch fordert der Wissenschaftler Arno Borst für seine komplexen Gedankengänge und vielschichtigen Betrachtungsweisen Zeit und Muße -- und belohnt mit faszinierenden Einblicken in unsere Kulturgeschichte, die mit dem Ende der Zeitlosigkeit begann. --J. Schüring Quelle:
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