Wenn die anonymen Tester des französischen Gault Millau ein Restaurant mit zusätzlichen Punkten und Hauben beglücken, kann das für den Betrieb einen wundersamen wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten. Andersherum sorgt eine Abwertung mitunter für immense Umsatzeinbußen. Allein an dieser Tatsache lässt sich die Bedeutung des wohl einflussreichsten aller Gourmetguides ablesen. Mit Hotels beschäftigt er sich erst gar nicht (mal vom Beiheft und von Häusern, in denen auch hervorragende Restaurants untergebracht sind, abgesehen). Auch wenn vieles, also auch die Zubereitung von Speisen, im wahrsten Sinne Geschmackssache ist: Der Gault Millau bemüht sich um objektiven Vergleich, lobt unermüdlich den Einsatz regionaler Produkte und kreative Ideen und belegt seine zugegebenermaßen strenge Wertung -- im Gegensatz zu manch Konkurrenten -- immer mit einer sehr ausführlichen Beschreibung. Dafür wird den meistens Restaurants eine halbe Seite eingeräumt, in manchen Fällen sogar eine komplette Seite. In dem gleichermaßen kritisch wie unterhaltsamen Text werden dann auch besondere kulinarische Spezialitäten des Hauses beim Namen genannt, in detailliertem Maße Verbesserungen und Verschlechterungen zum Vorjahr aufgelistet und Zitate des Chefkochs wiedergegeben. Klar, dass durch derartige Platz-Großzügigkeit nicht der Pokal für meisten beschriebenen Restaurants gewonnen werden kann, doch dem Gault Millau geht es gar nicht um Quantität, sondern um Qualität. Und so kommen nur die besten 1150 Lokale des Landes zwischen die robusten Buchdeckel. Bilder schaffen das leider nicht, obwohl es der Optik wahrlich gut tun würde. Nur im Vorspann des Buches finden Fotos statt, wenn die Aufsteiger, Neuentdeckungen, Patissiers und Sommeliers des Jahres abgelichtet werden. Im beigelegten Heft hingegen herrscht hingegen ein anderes Dogma vor: Viele bunte und moderne Bilder ranken sich um die kurzen Textabschnitte zu ausgewählten Hotels aus Südtirol, Schweiz und Österreich. So schön sich das kleine Magazin anblicken lässt und so praktisch die Übersicht von ernsthaften Wellnessangeboten auch sein mag: Man muss wissen, dass dieser Teil mit anonymen Tests wenig zu tun hat, denn die abgebildeten Hotels zahlen dafür, dass sie hier erscheinen dürfen. -- Christian Haas Quelle:
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