Eigentlich ging Christian Hentschel ja nur zur Kreisleitung der FDJ, weil man dort leicht an Eintrittskarten zu den in der DDR so beliebten sonntäglichen Matinees herankam. In irgendeinem zugigen Kino wurde meist kreuzbraves Ost-Entertainment geboten, bestehend aus einem Komiker, einer Artistennummer und einer Band. Bei einer solchen Showungeheuerlichkeit sah Jung-Hentschel die Puhdys zum ersten Mal. Selbst die Eltern schienen in der Folgezeit um ihren Sprössling besorgt, hörten sie doch bevorzugt Bee Gees und Smokie, während ihr Sohn plötzlich die Gruppe Kreis, speziell deren Sängerin Eva Fritsch, mindestens "ebenso scharf fand wie Abba". Vom Autogrammjäger zum Gründer des ersten Silly-Fanclubs, stieg Hentschel schließlich zum Chronisten der Ostrockszene empor. In diesem Interviewband lässt er sie alle noch einmal zu Wort kommen, Vergessene und solche, die auch im vereinten Deutschland ihre Erfolge weiterspinnen konnten. Lach- und Sachgeschichten aus dem DDR-Rockalltag. Gängelgeschichten auch, wie Toni Krahl, Sänger der Gruppe City berichtet, wurde dessen Vater von der Partei doch massiv angehalten, seinen Sohn doch bitteschön marxistisch-leninistisch neu zu justieren, da dieser im Prager Frühling mit Flugblättern für die Reformbewegung warb. Nina Hagen befiel das kalte Grausen, als Leander Haußmann ihren dinomäßigen Ossi-Hit "Du hast den Farbfilm vergessen" in seinem Film Sonnenallee noch einmal mit englischem Text einsetzen wollte. Dieses lyrische Schmankerl stammte übrigens von Kurt Demmler (kennt den jemand?), eine Art Ost-Reinhard Mey, der damals die halbe Rockszene mit Lyrik versorgte. Die Interviews (alle mit Homepage-Adresse!) gewähren Einblick in eine merkwürdig ambivalente Szene von teils hausbackener Spießigkeit und Aufmüpfigkeit -- und sie zeugen von einer großen Solidarität innerhalb der Musikergemeinschaft. Die Rocksängerin Petra Zieger, von diversen Russland-Touren im vereisten Trabi gestählt, kommt zu dem Schluss, "ein Musiker aus Westdeutschland hätte sich nach zwei Tagen verabschiedet." --Ravi Unger Quelle:
|