Nelson George ist einer der wichtigsten Musikkritiker in den USA und ein großer Kenner der schwarzen Musik -- und damit genau der Richtige, die Geschichte des R&B zu erzählen. Die startet in seinem Buch zu Beginn des 20. Jahrhunderts -- eine Geschichte, die uns von Blues und Jazz über die Blütezeit des R&B in der Motown-Ära bis zum Niedergang schwarzer Musik in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren führt, als der R&B von der Disko-Ära und dem Schielen auf den weißen Massenmarkt verwässert wurde. Kenntnisreich setzt sich George mit der Musik von Ray Charles, Curtis Mayfield, James Brown oder Stevie Wonder auseinander. Sein Buch geht aber über Musikgeschichte weit hinaus -- und gerade das zeichnet es besonders aus: Immer wieder werden Musik und Musikgeschäft in Beziehung gesetzt zu dem Kampf um Bürgerrechte, gesellschaftlichen Aufstieg und Anerkennung, der die Geschichte der Schwarzen in den USA im letzten Jahrhundert geprägt hatte. Schwarze Autonomie oder Assimilation, Militanz oder Diplomatie -- die Fragen, die den Emanzipationskampf der Schwarzen auf der großen politischen Ebene bestimmten, spiegelten sich auch im Musikgeschäft immer deutlich wider -- und tun es bis heute. Diese Beziehungen zwischen Pop und Politik stellt George immer wieder gekonnt her. Ein Buch also, das Geschichtsbuch, Musikbuch und politisches Buch zugleich ist und damit noch spannender als ein Buch "nur" über Musik. Kleines Manko: Das Buch erschien bereits 1988, die deutsche Übersetzung aber erst im Jahr 2002. Was zur Folge hat, dass für eine Geschichte der schwarzen Musik die wichtigste Entwicklung in den letzten Jahren -- HipHop -- auf den letzten paar Seiten viel zu kurz kommt. Nelson George hat das wohl auch bald erkannt und das ebenfalls sehr empfehlenswerte XXX. Drei Jahrzehnte HipHop herausgebracht. Außerdem hätte man sich noch über eine Diskografie gefreut. Ansonsten ist R&B jedem, der sich näher mit schwarzer Musikgeschichte zwischen 1900 und 1987 befassen will, uneingeschränkt zu empfehlen. --Hanno Güntsch Quelle:
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